3 Mythen rund um Purpose und Sinn

von Axel Ebert • Sonntag, 24. November 2019

Großartig, dass immer mehr Unternehmen die Sinnfrage stellen und fundamentale Existenzgründe definieren. Gehen Sie dabei jedoch verbreiteten Mythen aus dem Weg. So wird Ihr Purpose ein authentischer Leitstern jenseits des ideologischen Management-Hypes.

#Mythos 1: Der Urgrund liegt im Warum

Mit der Frage nach einem Warum versuchen Unternehmen, Ihrem Urgrund auf die Spur zu kommen: Warum ist es entstanden? Wie kam es dazu? Der Purpose hingegen ist nicht die Frage nach dem Warum, sondern vielmehr nach dem Wofür bzw. Wozu: Was sind meine Absichten? Was ist der Zweck? Die Frage nach dem Wozu führt Sie also direkt in die Zukunft, während das Warum in die Vergangenheit zeigt.

Ein Beispiel: Warum machen wir das? Weil unsere Gründerin das so begonnen hatte. Wozu machen wir das? Wir möchten damit Gutes erreichen.

Und wenn wir genau hinschauen, dann gibt es meist mehrere Wozus, für die wir arbeiten:  z. B. Lebensunterhalt, Selbstverwirklichung, Anerkennung oder gesellschaftliche Entwicklung. Schön, wenn Sie für Ihr Unternehmen ein Markendach finden, das alle Zweck-Aspekte und Motivationen bündelt.

#Mythos 2: Evolutionärer Sinn

Holacracy-Gründer Brian Robertson oder Frederic Laloux (Reinventing Organisations) propagieren den Purpose als „evolutionären Sinn“ und „höhere Berufung“ von Unternehmen, die sie als „biologische Organismen“ verstehen.

Das erste Problem dabei: Unternehmen sind keine Lebewesen. In der Biologie sind Organismen u. a. durch eine vorgegebene Lebensspanne und Größe charakterisiert.

Das zweite, gewichtigere Problem: In der Evolutionstheorie ist keine „höhere Bestimmung“ vorgesehen. Darwin zeigte uns, dass die Natur Design ohne Designer hervorbringt. Mutation und Selektion erklären die evolutionäre Entwicklung, nicht ein finaler „Sinn“ oder der „Plan“ höherer Mächte.

Schränken Sie sich bei Ihrer Sinnsuche also nicht durch schicksalhafte Bestimmungsfantasien ein. Wenn Sie Unternehmen und Marken hingegen als von Menschen geschaffen begreifen, sind Sie frei in der Wahl Ihrer Unternehmensrichtung. IBM hat seinen radikalen Wandel ja auch nicht auf Basis einer höheren Berufung geschafft.

Die gute Nachricht: Ohne Schicksalsfantasien können Sie für Ihr Unternehmen großartige neue Ziele entdecken. Es geht um die Richtung, nicht um einen Bestimmungsort.

#3 Mythos: Unveränderbarer Purpose

In erstaunlich vielen Veröffentlichungen lesen wir von der Unveränderlichkeit des Unternehmenszwecks. Einmal gefunden, erscheint ein Purpose wie in Stein gemeißelt. Das hat auch Vorteile: Ein Purpose, der sich laufend ändert, ist kaum glaubhaft. Doch wer den Purpose gegen jede Veränderung immunisiert, schränkt ihn auch ein und lässt neue Herausforderungen unbeantwortet.

Ein positives Veränderungsbeispiel findet sich bei Walmart. Lange hatte das Unternehmen eine überwiegend demokratische Bestimmung: Niedrige Preise sollten Produkte für alle zugänglich machen. Doch die Klimakrise brachte ein Umwelt-Bewusstsein, das Walmart in seinen Purpose integrierte.

Auch Facebook versucht sich über seinen Purpose neu auszurichten: Bisher stand eine offenere Gesellschaft im Zentrum. Neuerdings geht es aber vor allem darum, Menschen zusammenzubringen, um Probleme zu lösen.

Unveränderlichkeitsdenker suchen den Purpose an den Wurzeln der Unternehmensgründung.  Positive Realisten hingegen sind bereit, neue Herausforderungen in Angriff zu nehmen und ihren Unternehmenszweck behutsam darauf auszurichten. Sie wissen, es gibt nicht die eine Berufung, sondern die unterschiedlichen Farben des Zwecks.