Absageschreiben: Floskel-Eldorado ohne Markenbezug

Dienstag, 18. März 2014

wortwelt® hat Absageschreiben von 100 österreichischen Unternehmen analysiert. Fazit: Die Bewerberinnen und Bewerber bekommen Mails mit austauschbaren Floskeln. Die Briefe sind sprachlich in den neunziger Jahren steckengeblieben – als gebe es zwanzig Jahre später keinen War for Talents.

Wir bedauern Ihnen mitteilen zu müssen, dass wir Sie aufgrund der Vielzahl an Bewerbungen nicht in die engere Auswahl ziehen können. „Das zieht nicht an – weder aus der Perspektive Textfrische, noch im Sinne von Markenattraktivität“, sagt Studienautorin Sabine Hödl von wortwelt. Sie hat 100 Absagebriefe von österreichischen Unternehmen analysiert, die allesamt im Jahr 2013 geschrieben wurden.

Unternehmen investieren viel Geld in Employer Branding Kampagnen, Personalberater und Karriereseiten. Ein gut getextetes Absageschreiben kostet im Verhältnis dazu viel weniger, erhöht allerdings die Glaubwürdigkeit gegenüber Bewerberinnen und Bewerbern. „Im persönlichen Schreiben merken Menschen, ob publizierte Werte leben oder eben nicht. Das Arbeitgeberversprechen steht also gleich am Prüfstand, denn oft kommen auf eine Zusage zehn, zwanzig, hundert Absagen. Die Art und Weise wie das ‚nein, danke’ formuliert ist, prägt sich bei Jobsuchenden ein“, sagt Hödl. „Absageschreiben sind in Wahrheit eine Chance sich zu positionieren. Wenige Unternehmen haben das bisher erkannt.“

Floskelranking: Die häufigsten Formulierungen in 100 Absagebriefen in Prozent.

Rang Floskel %
1. Vielen Dank für Ihre Bewerbung und Ihr Interesse an unserem Unternehmen. 74
2. Wir bedauern Ihnen mitteilen zu müssen, Sie nicht in die engere Auswahl ziehen zu können. 48
3. Wir erlauben uns Ihre Unterlagen in Evidenz zu halten. 21
4. Nach sorgfältiger Prüfung müssen wir Ihnen leider mitteilen, dass wir uns für einen anderen Kandidaten entschieden haben. 16
5. Wir bitten Sie um Verständnis für diese Entscheidung. 13
6. Aufgrund der Vielzahl an Bewerbungen ist uns die Entscheidung nicht leicht gefallen. 8
7. Leider müssen wir Ihnen einen abschlägigen Bescheid geben. 6

Wenn man überlegt, wie viel Arbeit Bewerberinnen und Bewerber in ihre Unterlagen und Recherchen stecken, ist diese Art von Antwort enttäuschend. „Nur 2 der 100 Absagebriefe waren wirklich anders. Eine davon ist aber erst zwei Monate nach dem Bewerbungsgespräch gekommen. Da hilft dann auch der beste Text nichts mehr“, meint Sabine Hödl. Absageschreiben sind ein Aushängeschild des Unternehmens. Die Bewerber können Mitarbeiter oder Kunden von übermorgen sein.

Ein paar wortwelt® Tipps für textfrische Absageschreiben:

  • Überlegen Sie, wie Sie Ihre Markenwerte in die HR-Korrespondenz bringen.
  • Schreiben Sie menschlich, es geht um etwas Persönliches.
  • Vermeiden Sie bürokratische Wörter wie beispielsweise Evidenz.
  • Schreiben Sie so, wie Sie am Telefon sprechen.
  • Lassen Sie 08/15 Sätze weg.

Der oberösterreichische Industriekonzern Miba beweist, dass man Absagebriefe auch anders schreiben kann. „Was die Miba als Arbeitgeber einzigartig macht, lässt sich als Fordernder Freiraum zusammenfassen. Die Miba hat eine ambitionierte Unternehmenskultur: Wer zur Miba kommt, wird persönlich gefordert und gefördert. Das muss auch in unseren Absagebriefen spürbar sein“, meint Mag. Bernhard Reisner, Personalleiter von Miba.

 Miba Absageschreiben

Sabine Hödl hat einen „So-kille-ich-meine-Marke-Brief“ aus den unfreundlichsten Sätzen in den 100 Absageschreiben zusammengestellt. „Sie werden lachen, es ist ernst,“ schmunzelt die Wortwerkerin.

Sehr geehrter Kandidat!

Vielen Dank für Ihre Bewerbung und das damit bekundete Interesse an einer Mitarbeit in unserem Unternehmen.

Aufgrund der Bewerbungsunterlagen, und diese stellen das erste Vorauswahlinstrument bei uns dar, haben uns andere Bewerber mehr von der Passgenauigkeit ihrer Qualifikation in Bezug zu unserem Anforderungsprofil überzeugen können. Damit wollen wir jedoch keinesfalls ein Werturteil über Ihre persönlichen und beruflichen Eigenschaften und Fähigkeiten verbunden wissen, sondern haben uns bei unserer Entscheidung ausschließlich am spezifischen Bedarf orientiert. Aus diesem Grund müssen wir Ihnen leider abschlägig Bescheid geben.

Ihre Unterlagen, die Sie uns freundlicherweise per Mail zur Verfügung gestellt haben, vernichten wir aus Datenschutzgründen.

Bitte bewerben Sie sich, Ihrer Einschätzung nach, erneut auf interessante Inserate.

Mit der Bitte um Ihre Kenntnisnahme zeichnen wir

mit freundlichen Grüßen

PS: Bitte sehen Sie von einer Antwort ab, da eine solche Nachricht unzustellbar ist und die Personalabteilung nicht erreicht.

wortwelt® ist die Nummer 1 für Textfrische und seit 2001 am Werk. Acht Wortwerkerinnen und Wortwerker analysieren Texte nach Image- und Verständlichkeitskriterien, entwickeln eine marken- und serviceorientierte Schreibkultur und erwecken sie mit Trainings zum Leben. Über 130 Wording-Projekte für Handels- und Dienstleistungsunternehmen, Industrie, Telekommunikation und öffentliche Verwaltungen haben wir bis jetzt erfolgreich umgesetzt.

Fragen? 

Dr. Karin Krobath

karin.krobath@wortwelt.at

+43 699 1077 6611