Markenbotschafter im Zug

Donnerstag, 30. Oktober 2014

Es ist Freitagnachmittag, ich steige mit meiner Kollegin, Susanna in den Zug von Graz nach Wien. Die Woche war lang, die Mailbox ist voll und ein paar Anrufer warten noch auf einen Rückruf. „Ich geh schnell telefonieren, solange wir noch im Bahnhof stehen“, sag ich zu Susanna und verschwinde in Richtung Info-Point.

Schnell bin ich in das Gespräch vertieft und merke erst als der Schaffner vor mir steht, dass wir bereits losgefahren sind. Ich deute ihm mit Händen und Füßen, dass die Karte drinnen im Abteil ist und dass ich bitte, bitte telefonieren muss, solange die Verbindung nicht abbricht. Stirnrunzelnd nickt er – wie ich meine gnädig –und lässt mich weiter reden.

Nach ein paar Minuten ist das Gespräch beendet, ich bin zurück am Platz. Mein Laptop ist bereits neben dem von Susanna aufgebaut als der Schaffner naht. „Danke, dass ich fertig reden konnte, hier ist mein Ticket … und die Vorteilskarte wollen Sie sicher auch sehen, die hab ich hier…“, sage ich freundlich. „Frau Krobath, jetzt schauen Sie mir mal tief in die Augen, dann brauch ich Ihre Vorteilskarte nicht. Und: Wir haben heute zu beiden Wagonseiten ganz besondere Screens installiert. Schauen Sie doch gelegentlich beim Fenster hinaus, Sie fahren jetzt durch eines der schönsten Länder dieser Welt.“ Susanne und ich lachen herzlich und versichern: „Wir haben uns eh vorgenommen, nur eine halbe Stunde zu arbeiten und dann zu plaudern.“

OEBB TESTschaffner

Nach der angekündigten halben Stunde, steht der Schaffner erneut vor uns. Diesmal mit einem Puzzlespiel. Weil wir uns so brav an den Slogan „Bahnfahren heißt Zeit zum Leben“ halten, hätte er ein kleines Geschenk für uns. Bei Problemen käme er uns helfen, denn dies sei Teil der Aufnahmeprüfung bei den ÖBB gewesen. Wir amüsieren uns prächtig mit diesem seltenen Exemplar von Markenbotschafter und sind auf seinen nächsten Einfall gespannt.

Kurz vor Wien kommen wir nochmals ins Gespräch. Sein Job ist unbezahlbar interessant – so viele unterschiedliche Menschen. Besonders angetan haben es ihm die Jungen, die bis Ende September gratis fahren dürfen, jedoch nicht bereit sind, diesen Umstand zu artikulieren. Sie stöpseln sich die Ohren mit Musik zu und reagieren nicht mal, wenn man vor ihnen steht. „Wos is“ – wäre die Standardansage dieser Klientel. Seine Antwort kommt einer paradoxen Intervention gleich: „Ich bin der Badewaschl vom Fonsdorfer Freibad und ich will jetzt deine Eintrittskarte sehen.“

Wann haben Sie den letzten Markenbotschafter getroffen?

Karin Krobath freut sich auf Ihre Geschichte.ID-Karin-Krobath-220x156